Alle Jubeljahre 

Der Landesverband  Bayern der Dolmetscher und Übersetzer feiert dieses Jahr ein Jubiläum und wird so alt wie die ARD und der Suhrkamp Verlag: 75 Jahre. 

Ich bin dem Verband im April 1994 beigetreten und erinnere mich noch genau, wie ich damals in der Geschäftsstelle im Mittelgebäude der Amalienstraße 45 in der Maxvorstadt  erstmals anklopfte, um mich nach den Aufnahmekriterien zu erkundigen. Seitdem sind viele Seminare, Arbeitstreffen, Jahresmitgliederversammlungen, Fachtagungen und Konferenzen ins Land gezogen, zuletzt die Fachtagung am 15. Mai 2025 im Oberlandesgericht Nürnberg., an der ich als öffentlich bestellte und beeidigte Übersetzerin  für Italienisch teilgenommen habe.

Die Auswahl des Tagungsortes hätte nicht besser sein können, um dieses Jubiläum angemessen zu feiern. Den Ausführungen der Referent:innen über Linguistik, Künstliche Intelligenz und Digitalisierung im Rechtsverkehr im ehrwürdigen Königssaal des OLG Nürnberg zuzuhören, war mir nicht nur visuell, sondern auch auditiv ein Vergnügen. Im Rückblick vorwärts gewandt zahlt sich das verbandsrechtliche Engagement der Vorstände und Mitgliedschaft aus. Durch Kooperationen wie zwischen dem Institut für Angewandte Linguistik in Leipzig und den Rechtsbehörden in Sachsen-Anhalt reift das Bewusstsein für die Zusammenarbeit mit professionellen Dolmetscher:innen und Übersetzer:innen und die wechselseitigen Bedürfnisse aller Verfahrensbeteiligten. 

So entstehen verlässliche Voraussetzungen für die weiteren Verfahrenszüge. Thema Nummer 1 war natürlich die Rechtssicherheit im Umgang mit der KI, denn die Digitalisierung beschleunigt selbst die „langsamen“ Mühlen der Justiz. Dabei geht es vornehmlich um rechtssichere Speichermedien und Übertragungswege.


Beeindruckend fand ich auch das Dokumentationszentrum Memorium Nürnberger Prozesse und den Schwurgerichtsaal 600, wo 1945/46 die Nürnberger Prozesse stattfanden. Sie gelten als die Geburtsstunde des Simultandolmetschens, weil die Dolmetscher:innen hier erstmals mit Kopfhörern den originalen Wortlaut hörten und gleichzeitig in die Zielsprache verdolmetschend ins Mikrofon sprachen. Es gibt eine Fotografie des Fotografen Ray D’Addario von einem Raum, der knöcheltief mit Papierseiten von Dokumenten gefüllt ist, in dem ca. zwanzig blusenschöne Übersetzerinnen stehen, die diese Dokumente zu Stapeln ordnen, ehe sie sich wohl geflissentlich an die eigentliche Arbeit machten und deren Inhalt in eine der vier Verhandlungssprachen - Englisch, Französisch, Russisch und Deutsch - übersetzten. In meiner Arbeitssprache Italienisch wurde erst sehr viel später verhandelt.  Die Prozessgeschichte nationalsozialistischer Kriegsverbrechen in Italien setzt erst Jahre danach zunächst vor italienischen Militärgerichten ein.


2025 befinden wir uns mitten in der Digitalisierung, und einer der Referent:innen der Tagung bezeichnet Papierträger bereits als „Fremdkörper“.  Ich erinnere mich an die unzähligen Registermappen aus Pappe am Landgericht München I, als ich mich vor zwei Jahren in das Berufsverzeichnis des elektronischen Bürger- und Organisationenpostfachs (eBO) für die rechtssichere elektronische Korrespondenz eintragen ließ:  eine Mappe für jede:n Beeidigte:n.


Von den Ausstellungsräumen des Memorium Nürnberger Prozesse aus blickt man links auf die Justizvollzugsanstalt und deren Innenhof für den Aufschluss und Freigang, umzäunt von einer hohen Gefängnismauer, Stacheldraht und Gitterstäben vor den Fenstern.  Die Grenzen der Freiheit. Im Königssaal des OLG, der nach der baulichen Fertigstellung 1916 von  König Ludwig III eingeweiht wurde, prangt der Leitspruch Iustitia fundamentum regnorum - Gerechtigkeit ist das Fundament der Herrschaft. Ein Leitspruch, der vor dem Hintergrund der derzeitigen Kriege und Autokratien in Ost, West und Nahost seine Wirkung verfehlt hat. Hier an diesem denkwürdigen Erinnerungsort fällt dies besonders auf.  

Das Fundament meines Gerechtigkeitssinnes fußt darüber hinaus auf den strafrechtlichen Folgen für die Umweltzerstörung, mit der das Kriegsgeschehen einhergeht. Für die Aufnahme des Straftatbestands des Ökozids in das deutsche StGB entsprechend der überarbeiteten Umweltstrafrecht-Richtlinie der EU hat Stop ecocide international gerade ein Rechtsgutachten erstellen lassen.  Während Deutschland noch zögert, haben umtriebige Regionalpolitiker auf Sardinien bereits einen Gesetzentwurf formuliert und eingereicht.


Die Pressemitteilung und das Fotomaterial zur Fachtagung der Dolmetscher und Übersetzer finden sich indessen unter  BDÜ LV Bayern.